IV. Kapitel. Negative Ontologie: Adornos Stellung zu Heidegger
  > 1. Heideggers Ontologie - Konsequenz der Metaphysik
  > 2. Adornos Kritik der ontologischen Differenz
  > 3. Negative Ontologie
  > Anmerkungen: Ontologie
Mit dem Ideal der Überwindung des Verhältnisses von Subjekt und Objekt
ist aber erst die eine Seite des ganzen Widerspruchs genannt, der
Adornos Philosophie ausmacht. Der konsequent zu Ende gedachte und auf
das bloß methodische Prinzip reduzierte Gedanke der Metaphysik:
'Versöhnung aus Entzweiung' entdeckt zwar schon sich als das Hindernis
für eine ersehnte Ungeschiedenheit der Pole und setzt sich daher die
Überwindung jeder zweckmäßigen Tätigkeit eines Subjekts zum Ziel.
Entsprechend stünde eine Radikalisierung des Schopenhauerschen Prinzips
an: Würde das Subjekt nicht nur nichts mehr wollen, sondern auch nichts
mehr denken, dann entstünde die Unterscheidung und damit für das
metaphysische Bedürfnis die Trennung von Subjekt und Objekt gar nicht,
so daß das Ideal ihrer Aufhebung ebensowenig entstehen könnte.
Gleichwohl trifft J.E. Schmuckers Konsequenz nicht:
"Das Chaotische und Paradoxe an der Adornoschen Theorie insgesamt ist
dadurch bedingt, daß sie nach ihren eigenen Kriterien gar nicht hätte
geschrieben werden dürfen." 1)
Denn Adorno hatte stets gegen dieses Verstummen, das etwa der
ernstgenommenen indischen Mystik entspräche, protestiert. Mag die
Fortsetzung der Philosophie angesichts ihres Ideals auch ein
Widerspruch gegen dieses sein, man hat Adornos Denken nur halb
verstanden, wenn man sich auf diese Seite schlägt und von ihr aus der
anderen ihre Berechtigung abspricht. Die metaphysische Sehnsucht nach
dem Verzicht auf Erkenntnis, dem "Glück daran, daß es (das Fremde) in
der gewährten Nähe das Ferne und Verschiedene bleibt, 2) sowie nach dem
Ende des praktischen "Dranges" bildet zwar die Grundlage des
philosophischen Denkens, aber der Wunsch beruht auf der "Entzweiung".
Nur durch sie hindurch, nicht jenseits von ihr kann das Ideal seine
Verwirklichung wünschen. Damit wird allerdings dieser Grundgedanke vom
Tun der Philosophie unterschieden und zum bloßen Ideal derselben
herabgesetzt.
Würde der philosophisch gebildete Mensch, um der Stillung seines
metaphysischen Bedürfnisses willen, "hinter die Reflexion zurückfallen"
3), so stünde er ebenso "animalisch" als Natur wider die übrige Natur
wie der Zivilisierte - er hätte lediglich sein Bewußtsein davon
durchgestrichen. Gegen das 'Zurück' zum Irrationalismus aber hat Adorno
heftig polemisiert.
Würde der Mensch sich das geistige Bedürfnis der Metaphysik geistig
befriedigen und sich - wie etwa Hegel - die Vernunft der natürlichen
und gesellschaftlichen Welt vor Augen stellen, dann würde Adorno ihm
teilweise mit richtigen Argumenten (wie im Falle der Kritik der
Erkenntnistheorie) das Trügerische dieser Befriedigung vorrechnen, sie
also als Lösung ebenfalls nicht gelten lassen. Daher erklärt sich auch,
daß Adorno gegen alle Formen des absoluten Geistes, Kunst, Religion,
Philosophie, die er einerseits als den Bereich der Beschäftigung mit
dem Versöhnungsideal schätzt, zugleich, wenn Glaube, Wahrheit und
Schönheit positiv auftreten, den Ideologieverdacht und -vorwurf nicht
unterläßt. 4)
Wenn der Mensch aber geradezu denkt und sich praktisch wie theoretisch
die Erde untertan macht, dann - wir sind wieder am Ausgangspunkt der
Deduktion - ist er selbst Grund, Motor und Opfer der Entzweiung. Adorno
verbietet sich alle Lösungen, kommt aber über die Unlösbarkeit der
metaphysischen Frage auch nicht zu einer Kritik an ihr. Dies wurde,
wenn auch abgeschwächt, in der Rezeption der 'Negativen Dialektik'
durchaus bemerkt. "Wer so argumentiert, wandelt auf einem schmalen
Grat.", meint der begeisterte Anhänger der kritischen Theorie Ivo
Frenzel 5); daß die Breite des Grates aber gleich Null ist, sagt er
nicht. Da das metaphysische Bedürfnis nach Sinn und Harmonie sich
selber als Hindernis zur Erreichung seiner Befriedigung weiß, kann es
sich nicht verwirklichen, ohne sich auszulöschen, sich aber umgekehrt
auch nicht auslöschen, ohne das Ziel seiner Befriedigung, das Ideal des
versöhnten Zustandes aufzugeben. Es ist also der selbstgeschaffene
Widerspruch, in dem Adorno bleiben will. Seine Philosophie gibt die
metaphysischen Probleme für die der Welt aus, um sich quasi verzweifelt
an ihrer Unüberwindbarkeit abzuarbeiten. Von diesem Standpunkt aus und
relativ zu ihm erscheinen Adorno alle anderen theoretischen und
praktischen Positionen identisch: nämlich in der Negation des
metaphysischen Widerspruchs, den andere Denker entweder als Problem gar
nicht teilen oder lösen wollen. Der selbstbewußte Wille - gerade auch
der, der die von Adorno vielkritisierte Gesellschaft ändern will - muß
sich den gleichen Mangel an Humanität vorwerfen lassen wie der
integrierte; der Konsument der Unterhaltungsmusik ebenso wie der
Genießer der höheren; das antikritische Denken des Positivismus rückt
mit dem objektiven und mit dem einer positiven Metaphysik auf einen
Punkt zusammen: sie alle artikulieren nicht das Humanum, den
Widerspruch des zu Selbstbewußtsein gekommenen metaphysischen
Bedürfnisses. Umgekehrt erscheinen alle Formen des unglücklichen
Bewußtseins sowie des unerfüllten Glückswunsches als Bürgen des
philosophischen Problems im praktischen Leben. Liebende und Sterbende,
Kommunisten und Theologen, Dienstboten und Emigranten werden in den
'Minima Moralia' in dieser metaphysischen Qualität angeführt. Adornos
Kritik Spitzt sich insofern zurecht auf Martin Heidegger zu, als dieser
auf dem Feld des metaphysischen Problems unmittelbar die andere Seite
vertritt: Er will die - auch bei ihm auf ihr reines Prinzip reduzierte
- metaphysische Problematik positiv gelöst haben und bildet daher gegen
Adornos Offenhalten der Frage den geraden Gegenpol; der spätere Adorno
ist gegen Heidegger ein veritables Spiegelbild.
1. Heideggers Ontologie - Konsequenz der Metaphysik
Zurecht gilt Martin Heidegger als Erneuerer und Vollender der
Metaphysik im 20. Jahrhundert. Erneuerer war er zunächst darin, daß er
die metaphysischen Fragen radikalisierte. Die Fragen der Metaphysik
unterscheiden sich zunächst von denen der Wissenschaft darin, daß sie
nicht versuchen, die Eigenart ihrer Gegenstände zu bestimmen, sondern
sie, d.h. ihre Existenz "abzuleiten". Adornos Ausführungen über den
Systemwillen der Metaphysiker sind hier einschlägig; ebenso ist an die
einheitsstiftende Funktion der Ableitung aller Empirie aus einem Ersten
zu erinnern. Anleitung innerhalb einer historischen Epoche, einer
Religionsform oder innerhalb eines anderen bestimmten Gegenstands hat
ihren wissenschaftlichen Grund darin, daß ein Zweck oder Gesetz die
Identität einer Sache ausmacht, also auch ihre Erscheinungen regiert.
Ableitung von allem aber birgt von vornherein den Widerspruch, daß ihm
noch etwas anderes gegenüberstehen muß, sonst könnte es aus ihm nicht
abgeleitet werden; dieses andere aber widerspricht dem Begriff des
'alles'.
"Daß die Philosophie auf das Universale der Welt und das Letzte des
Daseins, das Woher, das Wohin und das Wozu von Welt und Leben abzielt
in der Weise der theoretischen Welterkenntnis unterscheidet sie ... von
den Einzelwissenschaften, die immer nur einen bestimmten Bezirk der
Welt und des Daseins betrachten." 6)
Die Methode dieses Fragens, die sich nicht für die Charakteristika
seiner Gegenstände interessiert, sondern (!) nach dem Woher, Wozu und
Wohin, also stets nach Beziehungen, Relationen fragt, die es zu anderem
einnimmt, führt notgedrungen von der in Rede stehenden Sache immer
weiter weg: Das Woher der Welt könnte zunächst mit allen
naturwissenschaftlichen Erkenntnissen über die Erdgeschichte
beantwortet werden, aber - und schon Kant hat nachgewiesen, daß diese
Fragen nicht vernünftig beantwortet werden können 7) - jeder Grund
könnte zurecht wieder als Folge eines früheren betrachtet werden, und
alle Gründe und Folgen würden niemals "außer der Welt" sein, sondern in
ihr. Damit aber wäre die Frage nach dem Woher der Welt gerade nicht
beantwortet. Die Frage setzt also von sich aus Transzendenz, ein
Jenseits der Welt, welches sie hervorbrachte; dieses aber widerspricht
- wie oben dem Alles - dem Begriff der Welt, der keinen anderen Inhalt
hat, als Inbegriff dessen zu sein, was ist und Gegenstand des
Bewußtseins werden kann. Auf die gleiche Weise setzt die bloße Frage
nach dem Wozu des Lebens einen Zweck und damit ein Subjekt außerhalb
desselben. In der Metaphysik ist es die Methode des Fragens, das hinter
die Welt zurückgeht, welche den ganzen Bereich des Jenseits schon in
der Frage konstituiert. Die metaphysische Frage besteht in der
Anwendung des Prinzips der Wissenschaft, der Frage nach Gründen, auf
Faktizitäten, die keine Gründe mehr haben außer denen, die sie aus
bestimmten anderen Seienden erklären. Heideggers "Grundfrage der
Metaphysik": "Warum ist überhaupt Seiendes und nicht vielmehr Nichts?"
7) aber führt die Form der Frage selbstbewußt ad absurdum, um daraus
noch ein metaphysisches Resultat zu erzielen. Er definiert Metaphysik
geradezu über diese Absurdität.
"Metaphysik ist das Hinausfragen über das Seiende, um es als ein
solches und im Ganzen für das Begreifen zurück zu erhalten. In der
Frage nach dem Nichts geschieht ein solches Hinausfragen über das
Seiende im Ganzen. Sie ist somit als eine 'metaphysische' Frage
erwiesen." 8)
Heidegger selber rezipiert natürlich Kants Kritik der kosmologischen
Antinomien und weiß um den endlosen Regreß, den das Ernstnehmen der
metaphysischen Frage zur Folge hat. Daher tritt er dafür ein, die Frage
überhaupt nicht wissenschaftlich zu erörtern. Wirkliche Gründe führen
nie über das "Seiende als Ganzes" hinaus, sondern bestimmen nur ein
Seiendes als Wirkung eines anderen:
"Wenn Thales auf die Frage, was das Seiende sei, antwortet: Wasser, so
erklärt er hier das Seiende aus einem Seienden, obzwar er im Grunde
sucht, was das Seiende als Seiendes sei. In der Frage versteht er so
etwas wie Sein, in der Antwort interpretiert er Sein als Seiendes." 9)
Man muß das Seiende nicht wiederum mit Wirklichem, sondern mit ganz
Anderem bestimmen, um in der Metaphysik ans Ende zu kommen:
Nicht-Seiendes = Ausgedachtes hat die wesentliche Qualität des Seienden
zu sein, damit das metaphysische Bedürfnis befriedigt wird. Das
logische Denken ist gegen die metaphysische Absicht als ein Hindernis
zu betrachten.
"Wenn die Macht des Verstandes im Felde der Fragen nach dem Nichts und
dem Sein gebrochen wird, dann entscheidet sich damit auch das Schicksal
der Herrschaft der 'Logik' innerhalb der Philosophie. Die Idee der
'Logik' selbst löst sich auf im Wirbel eines ursprünglicheren Fragens."
10)
Zu diesem Problem, daß die metaphysischen Fragen nach dem Ersten, "dem
Universalen der Welt", wissenschaftlich nicht befriedigt werden können,
weil die Wissenschaft per se innerweltlich ist, kommt noch ein zweites:
Jedes Seiende, welches als Universale genannt wird, hat mit der
Bestimmtheit noch den Mangel an sich, daß es Anderes aus sich
ausschließt und somit dem Begriff des Universale widerspricht. Der
Widerspruch freilich ist nicht erst einer der Antwort, sondern schon
völlig einer der Frage: sie fragt nämlich nach dem Universale von
Allem, d.h. nach der Qualität von Allem. Qualität aber bedeutet
Bestimmtheit und Ausschluß des Anderen, Alles aber bedeutet eben alles
und schließt schon deshalb die Qualität von sich aus. Nur die reine
Unbestimmtheit würde dem Anspruch an das Universale genügen können; nur
noch die Tautologie, daß die Qualität von Allem 'Universal' sei, könnte
dem Begriff von 'Alles' gerecht werden.
An endlosen Regreß merkt Heidegger, daß sich die Ableitung der Sache
immer weiter von ihr wegbewegt: sie geht zum Grund, zum Grund des
Grundes usw.; das, worauf sie zielt, die transzendente Notwendigkeit
der Sache trifft sie nicht. Heidegger nimmt, wie schon an Adorno
gezeigt, das metaphysische Denken für Denken überhaupt und schließt
daraus, daß das Denken prinzipiell das nicht zu treffen vermag, worauf
es abhebt. Somit gerät das Wesen der Sache in Gegensatz zum Denken,
welches dies herausbringen will, aber, solange es eines durch ein
anderes bestimmt, also immer Relationen angibt, es nicht herausbringen
kann, sondern die Sache selbst, ihr An-Sich als Leerstelle des Denkens
zurückläßt. Die Ontologie im Gegensatz zur Metaphysik, und damit im
Gegensatz zum Denken, spricht jetzt das Ziel des Denkens, welches als
Denken nicht trifft, für sich aus.
"Worauf der Weltbezug geht, ist das Seiende selbst - und sonst nichts." 11)
Die Ontologie drückt eben diesen Weltbezug des Denkens getrennt von
allen Bestimmungen, die das Denken dem Objekt zuschreibt bzw. an ihm
entdeckt, als das Wesen der Sache aus. Die Wirklichkeit, die schiere
Existenz des Objekts wird ein - und zwar das wesentliche Prädikat:
Sein. Damit ist zugleich das unhintergehbar universale Universale
bestimmt. Mit dem "Sein" ist nichts gestimmtes mehr zum Wesen der Dinge
erklärt, sondern die Kopula des Urteils, der pure Gedanke der
Identität. Als dieser pure Gedanke der Identität ist das Sein also auch
nichts als die Idee der Trennung aller Bestimmungen von der Sache, sie
selber damit die reine, abstrakte und damit geistige Existenz. Die
Ausgangsfrage der Metaphysik, die diese schon ad absurdum geführt
hatte, bekommt so die einzige Antwort, die diese Frage überhaupt noch
bekommen kann: Auf "Warum ist überhaupt Seiendes und nicht vielmehr
Nichts?" folgt: "Weil es ist." Die auf die unbeantwortbare Warumfrage
folgende Antwort 'Darum' wird von Heidegger aber nicht als die
Tautologie verstanden, die sie ist, sondern als wirkliche Antwort, und
zwar deshalb, weil bei ihm das 'ist' nicht einfach als die
Existenzaussage genommen wird, sondern sich in ihr die hinter der
faktischen Existenz steckende "Existenzqualität" 'Sein' verbergen soll.
Seine Tautologie ist von ihm also nicht als die völlig treffende
Beantwortung obiger Frage und damit als ihre Zurückweisung gemeint,
sondern als die tatsächliche Angabe der Transzendenz.
Heidegger bestimmt sodann die 'ontologische Differenz' und nimmt dabei
ein Problem vorweg, das in der Literatur über Heidegger mehrfach
aufgetaucht ist: Man fragte, was denn nun das Sein sei, was man sich
dabei zu denken habe. 12)
"Unter Sein kann ich mir zunächst nichts denken. Andererseits steht
ebensosehr fest: Wir denken das Sein ständig ... Wir verstehen das
'ist', das wir redend gebrauchen, und begreifen es nicht. Der Sinn
dieses 'ist' bleibt uns verschlossen. Dieses Verstehen des 'ist' und
damit des Seins versteht sich so sehr von selbst, daß sich ein bis
heute unbestrittenes Dogma in der Philosophie breit machen konnte: Sein
ist der einfachste und selbstverständlichste Begriff, er ist einer
Bestimmung weder fähig noch bedürftig." 13)
Heidegger versteht diese Stelle nicht als Auftakt für eine Erklärung
dessen, was man sich unter Sein zu denken habe, sondern als die
Erklärung selber. An anderer Stelle sagt er selbst, daß man das Sein
nicht bestimmen könne: "Man sagt: 'Sein' ist der allgemeinste und
leerste Begriff." "Der Begriff 'Sein' ist undefinierbar. Dies schloß
man aus seiner höchsten Allgemeinheit. Und das mit Recht..." 14) Der
Begriff ist für Heidegger also tatsächlich der Bestimmung weder fähig
noch bedürftig (jede Bestimmung würde der Reinheit des Seins Abbruch
tun); der Sinn des Seins, der im Gebrauch der Kopula verstanden, aber
nicht begriffen sein soll, ist denn auch kein anderer als der, daß das
Sein der Sinn sei, daß man der leeren Existenz Wichtigkeit beizumessen
habe. Der Sinn von Sein besteht eben darin, die Wirklichkeit als solche
als das höhere, vom Denken nicht erreichbare Wesen anzuschauen: ein
Kult des Faktischen.
Im Verhältnis von Sein zu Seiendem wird die Wirklichkeit endgültig als
die Verwirklichung der Abstraktion von allen ihren Bestimmungen
angegeben Hier kehrt das Verhältnis von Wesen und Erscheinung wieder,
aber gegenüber der klassischen Philosophie eigentümlich umgekehrt. War
bei den alten Metaphysikern die Identität des hinter den Erscheinungen
- und damit getrennt von ihnen - festgemachten Wesens mit den
Erscheinungen das Problem (ein Problem, das Hegel damit beendete, daß
er darlegte, man könne das Wesen nicht hinter den Erscheinungen,
sondern nur in ihnen, als selbst erscheinend bestimmen), so ist bei
Heidegger umgekehrt die Differenz von Wesen und Erscheinung, die ja
nicht einfach ein und dasselbe sein können, dunkel. Er unterscheidet
den leeren Gedanken der Existenz von der Erscheinung, die ihrerseits
'Seiendes', nur in dieser leeren Qualität bestimmt ist. Wesen und
Erscheinung sind in der Tat ein und dasselbe, und das Verhältnis drückt
nur aus, daß die Empirie auch als nichts anderes denn als die
Verwirklichung der Abstraktion von ihr angesehen werden soll. Dies ist
die Schwierigkeit, die die 'ontologische Differenz' naheliegenderweise
bereitet. Heideggers Deduktion derselben sei noch angefügt; sie zeigt
ebenso die Souveränität Heideggers gegen das logische Denken, wie sie
die oben angegebene Absicht deutlich macht.
"Außer dem Seienden ist nichts. Vielleicht ist kein anderes Seiendes
außer dem aufgezählten, aber vielleicht gibt es doch noch etwas, was
zwar nicht ist, was es aber gleichwohl in einem noch zu bestimmenden
Sinne gibt. Mehr noch. Am Ende gibt es etwas, was es geben muß, damit
wir uns Seiendes als Seiendes zugänglich machen und uns zu ihm
verhalten können; etwas, das zwar nicht ist, das es aber geben muß,
damit wir überhaupt so etwas wie Seiendes erfahren und verstehen.
Seiendes vermögen wir als solches, als Seiendes, nur zu fassen, wenn
wir dergleichen wie Sein verstehen. Verstünden wir nicht, was
Wirklichkeit besagt, dann bliebe uns Wirkliches verborgen. ... Wir
müssen Wirklichkeit verstehen können vor aller Erfahrung von
Wirklichem. Dieses Verstehen von Wirklichkeit bzw. von Sein im
weitesten Sinne gegenüber der Erfahrung von Seiendem ist in einem
bestimmten Sinne früher als das letztgenannte." 15)
2. Adornos Kritik der ontologischen Differenz
In seiner Kritik an Heidegger steht Adorno zunächst durchaus auf dem Standpunkt von dessen theoretischem Problem.
Beiden gilt - ganz entgegen der Schärfe der Auseinandersetzung 16) -
übereinstimmend das Resultat des metaphysischen Denkens als
selbstverständliches Resultat des Denkens überhaupt. Beiden erscheint
das "Aufheben des An-sich der Dinge" (Hegel) nicht als ein Fehler gegen
das Denken, sondern als die normale Leistung desselben überhaupt. Was
durch den Versuch der Ableitung aller Dinge aus einem ersten Urprinzip
notwendig entsteht: alles wird als Äußerung, Wirkung, Resultat von
Anderem, nichts wird für sich bestimmt, das ist der Ausgangspunkt der
methodisch über sich philosophierenden Metaphysik beider Kontrahenten.
Daher tritt bei ihnen das An-sich-sein und das Sein-für-Anderes - der
Sache nach ein und dasselbe - auseinander. Weil sie diese Trennung aber
nicht als Fehler auffassen, die durch Kritik zu beseitigen wäre,
sondern ihnen diese Fehler als normal gelten, erscheinen ihnen die
getrennten Momente des An-sich und des Sein-für-Anderes nicht als eine
Trennung innerhalb der Denkbestimmungen der Sache, sondern als die
Kluft zwischen den Denkbestimmungen und der draußen seienden Sache. 16a)
Adorno und Heidegger beziehen sich somit auf das Resultat des
metaphysischen Denkens, welches durch Hegel zum Selbstbewußtsein seines
Fehlers gekommen ist. Adorno und Heidegger heben nun aber nicht diese
Logik des Ableitens auf, welche das Problem hervorbrachte, sondern
wollen auf Basis des Selbstbewußtseins des Fehlers den metaphysischen
Gedanken zu Ende denken. Heideggers Vollendung der Metaphysik besteht
darin, die Trennung des Dings und seiner Bestimmungen positiv
auszusprechen und sich mit ihr zufrieden zu geben. Er bestimmte die
Philosophie geradezu als das Selbstbewußtsein der Trennung des Denkens
von seinem Objekt. Während die Wissenschaft nach seiner Auffassung die
Bestimmungen des Objekts denkt, damit aber - nach der Voraussetzung der
metaphysischen Betrachtungsweise - nie das Objekt selber trifft, macht
sich das philosophische Denken die Abstraktion von allem, was die Sache
ausmacht, den leeren Begriff der Wirklichkeit zum alleinigen
Gedankeninhalt. Das 'Sein' stellt sich bei ihm dar als das Desiderat
allen Denkens, welches dieses nicht erreicht und nie erreichen kann,
weil es Denken ist. Adornos Kritik an diesen Überlegungen hebt mit
vollem Verständnis für sie an: Er räumt die Relevanz einer Abstraktion
von allem, was man von den Dingen wissen kann, ein und zeigt sich
selbst interessiert an der positiven Formulierung der Trennung des
Denkens von seinem Objekt. 17)
"Gerechtigkeit allerdings widerfährt dem Seinsbegriff erst, wenn auch
die genuine Erfahrung begriffen ist, die seine Instauration bewirkt:
der philosophische Drang, das Unausdrückbare auszudrücken." 18)
"Heideggers Emphase auf Sein, das kein bloßer Begriff sein soll, kann
auf die Unauflöslichkeit des Urteilsgehalts in Urteilen sich
stützen..." 19)
Adorno weiß also selber um eine "Unkraft des Denkens vor dem Sein"; er
unterscheidet sich von Heidegger erst, wo dieser sich mit der Abdankung
des Denkens, die er mit ihm konstatiert, zufrieden gibt. Heidegger
bleibt bei seiner Formulierung der Trennung, also auch dem Bewußtsein
der Trennung als dem zufriedenstellenden Resultat stehen und geht nicht
wieder zurück zum "äußerlichen" Denken der Dinge.
"Daß Heidegger den Aspekt des Erscheinens gegen dessen vollkommene
Reduktion auf Denken hervorhebt, wäre ein heilsames Korrektiv des
Idealismus. Aber er isoliert dabei das Moment des Sachverhalts, faßt
es, nach Hegels Terminologie, ebenso abstrakt wie der Idealismus das
synthetische." 20)
Es fällt auf, daß Adorno die Bestimmung der Sache als ein Jenseits
aller Prädikate selbst akzeptiert, um dann auf Basis dieser Trennung
die Ergänzung gegen Heidegger wieder in Erinnerung zu bringen: "Kein
Sein ohne Seiendes" 21), die leere Abstraktion von aller Bestimmung
könne doch nicht ohne Bestimmungen bleiben. Das Paradoxe dieses
Einwands besteht darin, daß Adorno die Abstraktion von aller Bestimmung
als das Telos des Denkens voraussetzt und dann diese bestimmen will.
"Die Dialektik von Sein und Seiendem: daß kein Sein gedacht werden kann
ohne Seiendes und kein Seiendes ohne Vermittlung, wird von Heidegger
unterdrückt: die Momente, die nicht sind, ohne daß das eine vermittelt
wäre durch das andere, sind ihm unvermittelt das Eine, und dies Eine
positives Sein." 22)
Daß kein Sein ohne Seiendes gedacht werden könne, hat Heidegger so
nicht bestritten, er hatte umgekehrt zur Abstraktionsleistung
aufgerufen: man solle sich das Sein des Seienden vor Augen halten,
denken könne man es sowieso nicht; denn das Sein war ihm ja der gerade
Gegensatz - das Wirkliche, Echte, Unverfälschte - zum vermittelnden
Denken. Adorno selbst weist darauf hin, daß 'Sein' keinen anderen
Inhalt hat als eben den, "das air gediegener Fülle des nicht erst
gedanklich unsolid Gemachten" 23) auszudrücken. Adornos Kritik an
Heideggers Desinteresse, das Sein, nachdem es als die Abstraktion von
allen Bestimmungen einer Sache unterschieden worden ist, wieder auf die
Konkretion dieser Abstraktion zurückzubeziehen, trifft Heidegger und
seine Absicht nicht. Allerdings wendet Adorno diesen Mangel an
Rückbezug auch aus einem anderen Grund gegen Heidegger ein als aus dem,
daß "man das Sein nicht ohne Seiendes denken könne". Adorno kritisiert,
daß Heidegger Transzendenz, Wesen, das Ziel aller Metaphysik mit diesem
negativen Begriff - dem Ansehen von allem Wirklichen, um das ganz
Wirkliche zu fassen - positiv setzt. Er räumt durchaus ein, daß das
Sein irgendwie transzendent ist:
"Unbestreitbar, daß Sein nicht einfach Inbegriff dessen sei, was ist, was der Fall ist." 24)
- und damit die "Aura des mehr denn faktisch Seins: die von
Transzendenz" 25) beanspruchen kann. Allerdings liegt darin ein
Mißverständnis Heideggers, auf Grund dessen ihm Adorno sogleich ein
Versäumnis vorrechnen zu können meint. Heidegger hatte die Verdoppelung
des leeren Gedankens (= Faktizität) in ihn als Wesen (Sein) und ihn als
Erscheinung (Seiendes) vorgenommen, um die Suche nach dem Wesen, der
Transzendenz zu beantworten: Er sagt nicht, Sein sei mehr als
Faktizität und daher Transzendenz; er beharrt darauf, daß Sein, Faktum
Transzendenz ist. Sein ist also bei Heidegger sehr wohl "Inbegriff
dessen, was der Fall ist", und gerade darin das Heilige, Wirkliche,
Echte, nicht - bloß - Gedachte.
Sein Mißverständnis erlaubt es Adorno, von Heidegger die über die
Verherrlichung des Faktums hinausgehende Transzendenz einzufordern und
sich darin enttäuscht zu zeigen, daß Heidegger diese Transzendenz nicht
bietet. "Heideggers Transzendenz ist die verabsolutierte Immanenz,
verstockt gegen den eigenen Immanenzcharakter." 26) Auch dieser Satz
Adornos könnte in der Tat als objektiver gelesen werden: Heideggers
Transzendenz ist wirklich die Verabsolutierung dessen, was es sowieso
gibt, weil es dies gibt. Der Ausdruck der Enttäuschung, der bei Adorno
zugleich anklingt, verrät allerdings sein metaphysisches Interesse:
Heidegger bietet Transzendenz an, und dann erweist sich diese doch nur
als das Diesseitige. Das die Welt der Erscheinungen legitimierende 'ens
realissimum", das Wesen hinter den Erscheinungen, die Transzendenz
müßte doch etwas Anderes sein als das, was es transzendiert. Adorno
übersieht den Zwang zur Tautologie, der in der nach Beantwortung
verlangenden metaphysischen Frage steckt, wenn er am Verhältnis von
Sein und Seienden die Tautologie bemerkt und als Verstoß gegen das
Versprechen, ein Wesen nennen zu wollen, registriert. Adorno meint an
den Begriff 'Sein' anknüpfen zu können und seine Transzendenz:
Nichtidentität, Konstellation, freie Totalität daraus zu gewinnen.
"Ein jegliches Seiendes ist mehr, als es ist; Sein in Kontrast zum
Seienden, mahnt daran. Weil nichts Seiendes ist, das nicht, indem es
bestimmt wird und sich selbst bestimmt, eines anderen bedürfte, das es
nicht selber ist - denn durch es selbst allein wäre es nicht zu
bestimmen - weist es über sich hinaus. Vermittlung ist dafür lediglich
ein anderes Wort." 27)
Daß Heidegger den Begriff des 'Seins' überhaupt nur bildet, um einen
Begriff zu haben, der nicht wieder durch Anderes bestimmt wird, "das er
nicht selber ist", bemerkt Adorno nicht als notwendiges Ende der
Metaphysik, sondern als unnötige Tautologie, die das metaphysische
Bedürfnis um den echten Sinn bringt.
"In der Tautologie, auf welche dies Sein hinausläuft, ist das Subjekt
verscheucht: 'Doch das Sein - was ist das Sein? Es ist es selbst.'
Solcher Tautologie nähert sich das Sein zwangsläufig. ... Sein muß sie
(die Ontologie; d. V.) nur durch es selber bestimmen, weil es weder
durch Begriffe faßlich, weder also 'vermittelt' sei, noch nach dem
Modell des sinnlich Gewissen unmittelbar sich zeigen läßt; anstelle
jeglicher kritischen Instanz fürs Sein rückt die Wiederholung des puren
Namens." 28)
In der Formulierung, das Sein "nähere" sich der Tautologie, drückt
Adorno noch einmal aus, daß dies nach seiner Meinung nicht in der Natur
des Seinsbegriffs liegt, sondern bei anderer Behandlung auch anders
sein könnte. Er verlangt eine Bestimmung des Seins, die damit, daß sie
bestimmt, die 'Mit-sich-selbst-Gleichheit' des Begriffs kritisiert und
so zeigt, daß auch er mehr meint, als er sagt.
Alle richtige Kritik Adornos an der ontologischen Differenz, am
Verhältnis von Sein und Seiendem steht nach dem oben Aufgezeigten unter
dem gegen Heidegger illusorischen Gesichtspunkt, daß dieses Verhältnis
so, wie Heidegger es bestimmt, nicht bestimmt werden müßte. Adorno
bemerkt richtig, daß mit dem Begriffspaar Sein und Seiendes, welches
zugleich dem Inhalt nach Identität, der Form nach Substanzverhältnis
bezeichnet, das, was es gibt, ohne nähere Qualifizierung einmal zum
Wesen erhoben und zugleich zum bloßen Akzidenz herabgesetzt wird. 29)
Aber der zugrundeliegende theoretische Satz, Sein und Seiendes sei bei
Heidegger sowohl "absolut isoliert" wie zugleich völlig identifiziert
30) meint doch nur, Heidegger solle Sein und Seiendes weder völlig
trennen noch völlig zusammenfallen lassen, sondern ein Verhältnis
zwischen beiden angeben.
Damit deutet sich schon an, nicht nur, daß Adorno die Transzendenz, das
vom Denken unerreichbare Jenseits der metaphysischen Frage nach dem
Sinn anders lösen will, sondern, mehr noch, daß Adorno ebenfalls eine
Ontologie zu formulieren gewillt ist. Auch ihm wird 'Sein' zu einer
metaphysischen Aussage; auch er will nicht auf die Existenz als
metaphysische Qualität verzichten und 'Sein' nicht als den leeren
Gedanken überhaupt aus der wissenschaftlichen Diskussion herauslassen.
So gesehen wird gerade Heideggers Tautologie zu dem metaphysischen
Urteil über die Gegenstände der Erfahrung:
"Die Sinnlosigkeit des Wortes Sein, über die der gesunde
Menschenverstand so billig sich mokiert, ist nicht einem zu wenig
Denken oder einem unverantwortlichen Drauflosdenken aufzubürden. In ihr
schlägt die Unmöglichkeit sich nieder, positiven Sinn durch den
Gedanken zu ergreifen Oder zu erzeugen." 31)
Die Sinnlosigkeit des Wortes Sein ist das Urteil über es. Während
Heidegger verkündete, das Sein des Seienden sei sein Sinn, setzt Adorno
dagegen, das Sein des Seienden sei das Sinnlose. Heideggers Ontologie
ist sich nach Adorno dieses Inhalts der eigenen Einsicht nicht bewußt
und hat, "wo sie das Versprochene schuldig bleibt", "das Scheitern
seinerseits tröstlich zum Existential erhoben." 32)
"Sinnloses wird mit Sinn belehnt, indem der Sinn von Sein gerade an
seinem Widerspiel, der bloßen Existenz, als deren Form aufgehen soll."
33)
Das, was ist, ist bei Adorno "bloß"; denn ihm fehlt die Transzendenz,
welche es als bloß Wirkliches, Diesseitiges nicht hat. Sinn kann also
gerade demjenigen, was "nicht mehr ist, als es bloß ist", der Existenz,
nicht beigelegt werden; denn dann wäre es mehr, als es ist.
3. Negative Ontologie
Daß "Sinnloses mit Sinn belehnt" wird, kritisiert Adorno an Heidegger;
aber das ist doch gerade das Tun der Metaphysik überhaupt. Daß sie bei
diesem Programm Fehler machen muß, liegt auf der Hand, und es war neben
anderen auch Adorno, der das Prinzip dieser Fehler nachgewiesen hatte:
Die Bestimmung eines Sinnes hinter der Sache führt unweigerlich in den
endlosen Regreß oder in die Tautologie. Adorno aber fordert nicht etwa,
die Philosophie solle angesichts der notwendigen Fehler die
metaphysische Frage aufgeben, noch etwa, sie solle diese doch ohne die
Fehler beantworten; er hält die metaphysische Frage fest und kritisiert
den Umstand ihrer Beantwortung schlechthin: Sie belegt Sinnloses mit
Sinn - als ob Sinnhaftes noch mit Sinn belegt werden müßte. Die
metaphysische Frage nach dem Sinn geht selbstverständlich von einem
gegen das metaphysische Bedürfnis mangelhaften Zustand aus:
Ausgangspunkt der Suche nach Transzendenz ist offenbar unweigerlich
Immanenz. Adorno stellt darin den Widerspruch zwischen Ausgangspunkt
und Resultat des metaphysischen Gedankens fest: Wird von Immanenz
ausgegangen, dann kann Transzendenz nicht als deren Bestimmung im
Resultat erscheinen; könnte sie im Resultat erscheinen, dann wäre sie
offenbar schon im Ausgangspunkt gegeben gewesen, und jeder Grund für
die Suche nach Sinn wäre vorweg entfallen, die Frage also nicht
gestellt worden. Wird die metaphysische Frage gestellt, dann verbietet
sich folglich eine Antwort; ist sie beantwortbar, dann verbietet sich
jede Frage.
Mit dieser Einsicht in den Widerspruch des metaphysischen Urteils kommt
Adorno nahe an die Einsicht, die der metaphysischen Frage ihr Ende
bereitet. Er weiß damit nicht nur, daß das metaphysische Bedürfnis
einerseits von vornherein affirmativ ist, sondern auch, daß es selbst
der einzige Grund ist für die Qualifizierung der Wirklichkeit als
sinnloser.
"Auch das ontologische Bedürfnis hat sein reales Moment in einem
Zustand, in dem die Menschen die Notwendigkeit, der allein ihr
Verhalten gehorcht, als vernünftig - sinnhaft - weder zu erkennen noch
anzuerkennen vermögen." 34)
Die Frage zielt also schon nicht auf die Beseitigung dessen, daß das
Leben irgendwelchen fremden Notwendigkeiten gehorcht, sondern darauf,
daß man diese einsehen können will, um sich ihnen unterzuordnen:
"Das dringlichste ihrer Bedürfnisse heute scheint das nach einem
Festen. Es inspiriert die Ontologien; ihm messen sie sich an. Sein
Recht hat es darin, daß man Sekurität will." 35)
Der Widerspruch des metaphysischen Urteils liegt nun aber nicht erst,
wie Adorno meint, in der Antwort, sondern eben schon in der Frage: In
ihr wird die Wirklichkeit schon bejaht und verneint zugleich. Die Frage
kommt nur auf, wenn sich der Mensch unangenehmen Notwendigkeiten
ausgesetzt sieht, wenn er also irgendwie unzufrieden ist; zugleich
fragt er aber nicht nach der Abschaffbarkeit dieser Bedingungen, die
ihn doch stören, sondern nach Gründen, damit er sie sich gefallen
lassen kann. In seiner Frage also steckt schon der ganze Widerspruch,
der in der Antwort, die Adorno kritisiert, nur reproduziert wird. In
der Frage steckt aber auch die Setzung der Qualität der Welt als einer
sinnlosen. Die Welt mag dem Menschen abverlangen, was sie will,
sinnvoll oder sinnlos ist sie an und für sich nicht. Daß, was ist,
"b1oß ist"; das Urteil also, die Dinge seien ohne Transzendenz, setzt
erst das Bedürfnis nach Transzendenz; es konstatiert keineswegs einen
objektiven Mangel. Dieses Urteil ist nichts anderes als die Betrachtung
der Wirklichkeit sub speziem des Sinns, d.h. es ist nur die Äußerung
des Bedürfnisses; die Welt kann nichts dafür. Da dieses Problem nur in
dem und für das metaphysische Bedürfnis besteht, fällt es auch mit
diesem; eben dieses ist das einzige Problem. Adorno weiß dies, ist aber
so parteiisch für die metaphysische Problemkonstruktion, daß er den
Umstand, daß das Bedürfnis sich in allen Urteilen über Objektives nur
selber ausspricht, explizit macht und das Vorhandensein der Frage zum
Grund ihrer Berechtigung in der Sache erklärt:
"Leben, das Sinn hätte, fragte nicht danach." 36)
Weil Adorno die metaphysische Frage stellt, ist sie berechtigt, denn aus ihr geht hervor, daß sie wohl begründet ist.
Der Widerspruch des metaphysischen Urteils besteht darin, daß in ihm
die Wirklichkeit zugleich zum Nichtigen herabgesetzt wird angesichts
dessen, was an Sinn dahinter erwartet wird, und zugleich - als die
Äußerung des dahinterstehenden Wesens - zum Notwendigen erhoben wird.
37) Am Ende der Geschichte der Metaphysik und im Bewußtsein der
Unauflöslichkeit dieses Widerspruchs zerlegt sich das metaphysische
Urteil in seine zwei Elemente und kann so der jeweils anderen Seite den
Verrat an der eigenen zum Vorwurf machen. Heidegger tut dem Bedürfnis
seinen Willen und legitimiert die Wirklichkeit - und zwar durch sie
selber; d.h. er erklärt das Seiende ohne alle Umschweife für notwendig.
Damit erinnert Heidegger die Frage nur an die Hochachtung vor der
Faktizität, die sie schon im Bedürfnis nach Legitimation zum Ausdruck
brachte. Auf Basis dieser Hochachtung, einer devoten Haltung gegen
geltende Notwendigkeiten, erkennt die Frage als den Widerspruch gegen
den Zweck der Einverständniserklärung. Das Fragen, in dem der Mensch
"gegen das Seiende im Ganzen aufsteht und (es) befragt", muß scheitern.
Das Sein ist ohnehin gerechtfertigt, weil es ist - und als solches dem
bloß subjektiven Fragen ewig überlegen.
"Eben deshalb muß das Wissen seinen höchsten Trotz entfalten, für den
erst die ganze Macht der Verborgenheit des Seienden aufsteht, um
wirklich zu versagen. So öffnet sich gerade das Seiende in seiner
unergründbaren Unabänderlichkeit und leiht dem Wissen seine Weisheit."
38)
Adorno dagegen hält sich an das andere Moment des metaphysischen
Bedürfnisses: gegen die Befriedigung hält er den unbefriedigten
Ausgangspunkt fest, die Infragestellung, die der Anerkennung
vorhergeht. Während Heidegger die Wirklichkeit nur noch erhöht, setzt
Adorno sie nur noch herab; die Sehnsucht nach Transzendenz ist ihre
einzige Wirklichkeit und ihr Bürge zugleich. Das einzige Urteil über
die Objektivität ist daher das negativ metaphysische: Das Seiende hat,
weil es nur ist, nicht mehr an sich, als es ist; ihm fehlt das
Jenseitige. Darin ist auch Adorno Ontologe, daß er das Sein zu einer -
freilich negativen - metaphysischen Qualität macht. Alles ist ein und
dasselbe unter diesem Blickwinkel der negativen Ontologie: alles, was
ist, ist nur Diesseitiges und nicht Jenseitiges. Adorno kennt das Wesen
aller Dinge, das sie nach seinem Urteil nicht haben: "Die
Sinnverlassenheit des bloß Seienden." 39)
"Wenn irgend wäre Ontologie ironisch möglich, als Inbegriff von
Negativität. Was sich selbst gleichbleibt, die reine Identität, ist das
Schlechte." 40)
Adorno entwickelt seine negative Ontologie zu einem ganzen
Begriffssystem, in dem alle Begriffe den gleichen einen Inhalt haben,
nämlich die Abwesenheit von Transzendenz an der Wirklichkeit
auszusprechen: Bekommt zunächst die Wirklichkeit den Zusatz "bloß", so
ist die Kategorie 'Immanenz' schon eine Bezeichnung der Wirklichkeit
unter dem Gesichtspunkt eines Jenseitigen. Adorno geht weiter und
bestimmt die Immanenz als Hindernis für die Transzendenz; sie erscheint
ihm als das "Feste", "Invariante", welches "sich selbst gleichbleibt"
und deshalb "Identität" ist. Die Abwesenheit von Transzendenz wird aber
auch noch "methodischer" ausgedrückt: Indem die Wirklichkeit sich
selbst gleichbleibt, läßt sie keinen Raum für "das Andere"; sie ist
"das Ganze", ein "Totum" oder "Totalität". Auch die aus der Soziologie
genommenen Kategorien "System" und "Integration" drücken nur die
Negation des Anderen, somit die Abwesenheit von Transzendenz aus. 41)
Adornos Kritik an Heidegger beschränkt sich aber nicht auf den Vorwurf
der Tautologie, mit der "Das Scheitern der Metaphysik" zur Antwort auf
die Frage nach Transzendenz wird, sondern erstreckt sich auch noch in
zweierlei Hinsicht auf das Resultat: Daß durch die Beantwortung der
metaphysischen Frage immer das "bloß Seiende" gerechtfertigt, d.h. in
den Rang der Notwendigkeit erhoben wird, wurde schon erwähnt. Gegen
dieses Resultat meldet Adorno - siehe unten - politische Einwände an.
Aber noch innerhalb der philosophischen Überlegungen bleibt ein
Vorwurf, der Heidegger einfach den Abschluß der Metaphysik durch
Beantwortung ihrer Frage zum Vorwurf macht und von daher auf mangelndes
Interesse an der Transzendenz schließt.
"Wer Transzendenz dingfest macht, dem kann mit Recht ... Verrat an der Transzendenz vorgeworfen werden." 42)
Am Beispiel der eigenen Interessen an der Todesmetaphysik bemerkt
Adorno bei Heidegger einen Mangel an Reflexion des metaphysischen
Themas:
"Anti-intellektualistisch wird die Reflexion über den Tod im Namen
eines vorgeblich Tieferen verunglimpft und durchs 'Aushalten' ersetzt,
einen Gestus auch in- wendiger Stummheit." 43) -
eine Unterlassung, die bei den Schülern Heideggers glatt ein Interesse am Diesseits statt am Jenseits erzeugt hätte:
"Weihevoll erheben bescheidene Eigentliche vorm Tod die Augen, aber ihr
geistiges Benehmen, vergafft ins Lebendige, unterschlägt ihn." 44)
Die Beantwortung der metaphysischen Frage wird von Adorno also auch als
Beendigung derselben durch die Befriedigung des Interesses an ihr
verstanden und kritisiert. Sein Vorwurf an die Zeit lautet, daß zu
geringes Interesse an den Themen der Philosophie herrscht.
"Daß der Teufel nicht mehr zu fürchten und auf Gott nicht mehr zu
hoffen sei, expandiert sich über die Metaphysik, in der die Erinnerung
an Gott und Teufel nachlebt, auch wo sie jene Angst und Hoffnung
kritisch reflektiert. Es verschwindet, was den Menschen in höchst
unideologischem Verstande das Dringlichste sein müßte; ... nicht sind
die Fragen gelöst, nicht einmal ihre Unlösbarkeit bewiesen. Sie sind
vergessen." "Die Gleichgültigkeit des Bewußtseins gegen die
metaphysischen Fragen, die keineswegs durch Befriedigung im Diesseits
abgegolten sind, ist aber schwerlich für die Metaphysik selbst
gleichgültig." 45)
Adorno kritisiert also an Heidegger die Metaphysik um ihrer Zukunft
willen. Er verwirft die Lösung der Frage, weil diese wieder
unweigerlich eine Orientierung auf das Diesseitige, das Gegebene
bewirke und das Interesse an der Frage überwinde. Deshalb entwirft er
eine Metaphysik der gegen ihre Befriedigung offengehaltenen Frage nach
der Transzendenz die in folgendem Widerspruch sich gegen beide
Varianten der Beendigung der Suche nach Transzendenz abgrenzt:
"Die These, das Leben habe keinen (Sinn; d. V.), wäre als positive genauso töricht, wie ihr Gegenteil falsch ist." 46)
Anmerkungen: Ontologie
1) Joseph E. Schmucker, a.a.O. S. 145.
2) Adorno, ND, S. 190.
3) ND, S. 84.
Kaltenbrunner faßt die "Negative Dialektik" gerade wesentlich unter
dieser Bestimmung; er zitiert Franz von Baader über Hegel und bezieht
das "Dialektische Feuer" auf Adorno:
Seitdem "das dialektische Feuer (das Autodafé der bisherigen
Philosophie) einmal angezündet worden, kann man nicht anders als durch
dasselbe selig werden ... nicht etwa, indem man von selbem abstrahieren
oder es wohl gar ignorieren möchte."
Gerd-Klaus Kaltenbrunner, Dialektisches Feuer, Rezension der 'Negativen
Dialektik' in: Tribüne 6. Jahrg. 1967, Heft 22, S. 2393 - 2397.
4) Adornos "Ästhetische Theorie" besteht dementsprechend aus der
beständigen negativ abgrenzenden Bestimmung, was Kunst nicht sein darf,
will sie weder das Versöhnungsideal auf geben, noch dieses im schönen
Werk als realisiert darstellen. Der Auffassung, Adorno sei ein Künstler
in der Philosophie, steht also nicht nur Adornos Versicherung entgegen,
daß es sich bei Philosophie nicht um "Gedankendichtung" handle (ND, S.
113), sondern auch seine Ästhetik, denn aus ihr geht hervor, daß er
mindestens ebenso ein Philosoph in der Kunst ist. Gleichwohl wird diese
Interpretation des Werks von Adorno häufig vertreten. Siehe Rehfus,
a.a.O., "Die Rekonstruktion der Wahrheit aus der Ästhetik", und
Rohrmoser, Das Elend der Kritischen Theorie, a.a.O., S. 38 f.
5) Ivo Frenzel, Ist Philosophie noch möglich?, Rezension der 'Negativen
Dialektik' in der Süddeutschen Zeitung vom 2./3. September 1967.
Ähnlich Plessner:
"Adorno weiß zu gut, daß ihm auf dieser spekulativen Schmalspur seiner
Askese bloß Nachbeter folgen werden. Er hat ein denkwürdiges
Gedankenexperiment mit Glanz durchgeführt, auf einem Boden freilich,
der Anderes nicht mehr trägt."
Helmuth Plessner, Adornos Negative Dialektik, Ihr Thema mit Variationen, in: Kant-Studien, 61. Jahrg. 1970, Heft 4, S. 519
6) Martin Heidegger, Die Grundprobleme der Phänomenologie, Marburger
Vorlesung Sommersemester 1927, in: Martin Heidegger Gesamtausgabe, II.
Abt., Bd. 24 (im folgenden: 'Grundprobleme'), S. 8.
7) Martin Heidegger, Was ist Metaphysik?, Antrittsvorlesung an der
Universität Freiburg i.Br. am 24. Juli 1923, Bonn 1931, S. 27. ( im
folgenden: 'Metaphysik')
8) Metaphysik, S. 21.
9) Grundprobleme, S. 453.
10) Metaphysik, S. 21.
11) Metaphysik, S. 9.
12) Walter Schulz faßt Heideggers Rezeption zusammen und berichtet von dieser Schwierigkeit:
"Daß Heidegger diesen Begriff des Seins - und den ihm offenbar
irgendwie äquivalenten des 'Heiligen' - in den Mittelpunkt seiner
Arbeiten stellte, ... war deutlich, weniger deutlich dagegen war, was
er genau und eigentlich mit diesem Ausdruck 'das Sein' meinte. Die
folgenden Schriften ... gaben keine unmittelbar einleuchtende Auskunft
und verstärkten die eigentümliche Ratlosigkeit, in der sich nun die
Mitwelt Heidegger gegenüber befindet."
Walter Schulz, Über den philosophiegeschichtlichen Ort Martin
Heideggers, in: Otto Pöggeler (Hrsg.), Heidegger, 2. Aufl. Köln/Berlin
1970, S. 96.
13) Grundprobleme, S. 19.
14) Martin Heidegger, Sein und Zeit, in: Heidegger Gesamtausgabe, FfM. 1976, Bd. 2, § 1, S. 3 und 5.
15) Grundprobleme, S. 13 f.
16) Adornos Auseinandersetzung mit Heidegger findet doch im Grunde nur
in der 'Negativen Dialektik' statt, obwohl mit dem 'Jargon der
Eigentlichkeit' Heidegger eine besondere Schrift gewidmet wurde. Das
Verfahren der Sprachkritik wird aber zu recht von fast allen Seiten als
unzureichend empfunden. Siehe dazu:
Thomas Härting, a.a.O.
Ivo Frenzel, a.a.O.
Beda Allemann, Martin Heidegger und die Politik, in: Pöggeler,
Heidegger. a.a.O., S. 246 -260. Er berichtet von dem allein diesem
Thema gewidmeten Aufsatz von Francois Fédier, Trois attaques contre
Heidegger, in: Critique Nr. 234, Paris Nov. 1966.
Horst Krüger, Th. W. Adorno, Jargon der Eigentlichkeit, Rezension in: Neue deutsche Hefte, Nr. 106, Juli/August 1965, S. 172 ff.
16a) Wie sehr sich Adornos Kritik der Allgemeinheit und der
begrifflichen Bestimmungen immanent Heideggers Trennung der
Bestimmungen einer Sache von ihr selber, die damit ein leeres Jenseits
werden muß, nähert, beweist Matthias Tichy, der sich gerade um eine
Rekonstruktion des Kritischen Begriffs des abstrakten Allgemeinen bei
Adorno bemüht: er kommt unmittelbar zu Heideggers Ausgangspunkt:
"Daher wird das, was von der Erfahrung des Besonderen nicht unter das
Allgemeine subsumiert werden kann, seine Faktizität, zum an ihm selbst
Unwesentlichen und somit
vernachlässigbaren."
"Mit der Spaltung des Besonderen in seine allgemeinen Bestimmungen und in sein faktisches Dasein..."
Mattias Tichy, Th. W. Adorno, Das Verhältnis von Allgemeinem und Besonderem in seiner Philosophie, a.a.O., S. 78 f.
17) Auf die Nähe von Ontologie und Kritischer Theorie haben schon
Manfred Riedel, a.a.O. und später Hartmut Scheible, a.a.O.,
hingewiesen. Günter Rohrmoser sieht sogar eine Identität in der
Aussage; wie mir scheint, nicht zu Unrecht:
"Es ist daher (wegen Adornos Polemik gegen Heidegger; d. V.)
verständlich, daß deshalb der Schein entstehen konnte, Adornos Negative
Dialektik und Heideggers Spätdenken seinen unvereinbar. Dieser Schein
trügt. Sie sind in ihrer Essenz identisch. Ihre Identität wird in ihrem
Verhältnis zur Tradition der Vernunftphilosophie unübersehbar deutlich:
beide haben teil an der Destruktion der Vernunft."
Dieselbe Identität sieht Rohrmoser im Verhältnis beider Autoren zur geschichtlichen Wirklichkeit:
"Damit verhält sich das andächtige, dem Sein die Stätte einer neuen
Präsenz bereitende Denken zu der Herrschaft total gewordener
Negativität, durch die es unsere Gegenwart bestimmt sieht, genauso
vermittlungs- und beziehungslos wie die Möglichkeit der Utopie bei
Adorno zu dem, was ist."
Günter Rohrmoser, Das Elend der kritischen Theorie, Freiburg i.Br. 1970, S. 37 und 43.
18) ND, S. 112.
19) ND, S. 88.
20) ND, S. 85 f.
21) ND, S. 137.
22) ND, S. 119.
23) ND, S. 82.
24) ND, S. 110.
25) ND, S. 82
26) ND, S. 111.
27) ND, S. 107.
28) ND, S. 76 f.
29) "Projizieren die Rück- und Kunstgriffe der Philosophie Seiendes
aufs Sein, so ist das Seiende glücklich gerechtfertigt; wird es als
bloß Seiendes mit Verachtung gestraft, so darf es draußen unbehelligt
sein Unwesen treiben."
ND, S. 105.
30) "Das bloß Seiende wird zum Nichtigen, ledig des Makels, Seiendes zu
sein, erhoben zum Sein, seinem eigenen reinen Begriff. Sein dagegen,
bar jeden einschränkenden Inhalts, braucht nicht mehr als Begriff
aufzutreten, sondern gilt für unmittelbar wie das 'tode ti': konkret.
Die beiden Momente, einmal absolut isoliert, haben keine differentia
specifica gegeneinander und werden vertauschbar; dies quid pro quo ist
ein Hauptstück von Heideggers Philosophie."
ND, S. 81, Fußnote.
31) ND, S. 103.
32) ND, S. 69.
33) ND, S. 123.
34) ND, S. 97.
35) ND, S. 98.
36) ND, S. 367.
37) Das Metaphysische fällt mit dem von Hegel als "unglückliches
Bewußtsein" charakterisierten religiösen in seinem Aufbau so genau
zusammen, daß ihm ebenfalls die Wirklichkeit als Jammertal und Realität
Gottes gilt:
"Die Wirklichkeit ... ist diesem Bewußtsein nicht mehr ein an sich
Nichtiges, von ihm nur Aufzuhebendes und zu Verzehrendes, sondern ein
solches, wie es selbst ist, eine entzwei gebrochene Wirklichkeit,
welche nur einerseits an sich nichtig, andererseits aber auch eine
geheiligte Welt ist."
Hegel, Phänomenologie, a.a.O., S. 165.
38) Martin Heidegger, Die Selbstbehauptung der deutschen Universität,
Rede, gehalten bei der feierlichen Übernahme des Rektorats der
Universität Freiburg i.Br. am 27.5.1933; in: Freiburger
Universitätsreden Heft 11, Breslau 1933, 5.9.
39) ND, S. 91.
40) ND, S. 126.
41) Es wäre Aufgabe einer gesonderten Arbeit, zu zeigen, daß Adornos
Untersuchungen zu besonderen Themen der Gesellschaft, der Sitten oder
der Naturbeherrschung letzten Endes keine weitergehenden Bestimmungen
enthalten als die hier in der negativen Ontologie gegebenen. Für den
Bereich der Objekte bleibt ausschließlich das negativ ontologische
Urteil: sie sind nicht transzendent. Auf der Seite der Subjekte werden
alle Wünsche nach befriedigten und unbefriedigten unterschieden, die
ersteren als Zeichen der weit fortgeschrittenen Integration,
Objektwerdung der Subjekte, als Abwesenheit von Metaphysik im
Bewußtsein der Menschen beklagt, die letzteren dagegen ihrer
Besonderheit entkleidet und als "subjektiver Überschuß" und "Sehnsucht
nach dem ganz Anderen" (Horkheimer), kurz als Beleg für die
Wirklichkeit der Metaphysik, soweit sie nur negativ ist, angesehen:
"Denn in den Bedürfnissen selbst der erfaßten und verwalteten Menschen
reagiert etwas, worin sie nicht ganz erfaßt sind, der Überschuß des
subjektiven Anteils, dessen das System nicht vollends Herr wurde."
ND, S. 97.
Der Inhalt dieser Sehnsucht ist, wie die ganze auf die Methode ihrer
selbst reduzierte Metaphysik, nurmehr formell: Vereinigung mit dem
getrennten, nichttranszendenten Objekt, d.h. Verobjektivierung der bloß
subjektiven Transzendenz, was aber, wie gezeigt, dem Begriff dieser
widerspricht.
42) ND, S. 390.
43) Adorno, Jargon der Eigentlichkeit, FfM. 1967, S. 109 f.
44) ebd., S. 17.
45) ND, S. 385 und 386.
46) ND, S. 368.